Moderat. Das ist der Schlüssel!
„Schneller, höher, weiter“ ist das Motto der heutigen Zeit. Gerade in der Kreativbranche scheint es nur mehr Spitzenzeiten, Deadlines und enge Abgabetermine zu geben. Das kostet Nerven und nagt mit der Zeit an der Gesundheit. In Betrieben kann ein professionelles Gesundheitsmanagement Abhilfe schaffen, bei dem die drei klassischen Säulen Bewegung, Ernährung und Entspannung im Mittelpunkt stehen. Die Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation war zu Gast bei Prof. Heinrich „Heini“ Bergmüller, einem der profiliertesten und anerkanntesten Experten aus dem österreichischen Spitzensport. Er setzt mit außergewöhnlichen Methoden seit über 25 Jahren wesentliche Aspekte in der Sportwelt und betreute Athleten wie Hermann Maier. Der Fitnessguru hat uns sein Erfolgsgeheimnis verraten.
Es geht sehr früh am Morgen los, Richtung Oberösterreich. Erst kürzlich verlagerte Prof. Heinrich Bergmüller seinen Arbeits- und Wohnsitz dorthin. Im idyllischen Mühlviertel erwarten uns eine weite, sanft hügelige Landschaft und saftige Wiesen. Umringt von Weiden, Kühen und Natur begrüßt uns der Leistungsdiagnostiker, Experte für angewandte Trainingsmethodik und Trainer auf einem alten Bauernhof. Barfuß, in Jeans und Poloshirt. Unser Gespräch führen wir im Bauerngarten, entspannt unter einem Baum, in Bergmüllers Zentrum für Fitness und Gesundheit. Wir nutzen die Gelegenheit und löchern den Experten mit zahlreichen Fragen, die er uns bereitwillig beantwortet. Der Bogen spannt sich vom betrieblichen Gesundheitsmanagement über das Thema Stress und Burn-out bis hin zu der Frage, wie man seine Leistungsfähigkeit gezielt steigern kann. Ebenfalls dabei ist seine Partnerin Carmen Hintermüller, die Mentalcoachings und Körpertherapie anbietet. Wie im Sport üblich, sind wir per Du. Das Gespräch führten Chefredakteurin Sabine Wolfram, Fachgruppengeschäftsführer Clemens Grießenberger und Obmann Günther Hofer. Jene, die das Sportgeschehen in Österreich verfolgen, kommen am Namen Heinrich Bergmüller nicht vorbei. Er ist eng an die vielen Erfolge von heimischen Spitzensportlern gekoppelt. Hermann Maier ist einer davon. Aber auch zahlreiche Promis und Unternehmer holen sich Unterstützung und Rat vom Profi.
Werbemonitor: Wie lange setzt du dich schon mit dem Sport auseinander? War der Weg für dich schon immer so vorgesehen?
Bergmüller: Seit über 30 Jahren beschäftige ich mich mit dem Leistungssport. Beruflich war das so nicht geplant, aber ich bin im Sport gelandet. In meiner Familie im Pongau wurde das Rauchfangkehrergewerbe betrieben. Mein Vater starb sehr früh und ich musste den Betrieb übernehmen. Zu der Zeit war ich aber schon selbst Leistungssportler, Skirennläufer und sogar einmal kurz im Salzburger Landeskader. Danach habe ich die Liebe zur Leichtathletik entdeckt, Fußball gespielt, bin dann noch Bob gefahren und habe den vierten Platz bei den olympischen Spielen errungen. Aber schon damals trainierte ich bei meinem Leichtathletik Verein junge Leute.
Wenn man die Mahlzeiten vor dem Bildschirm einnimmt, bekommt man gar nicht mit, was man isst.
Werbemonitor: Wie hast du dein Unternehmen und den Sport unter einen Hut bekommen?
Bergmüller: Ich habe den Betrieb sehr lange geführt, rund 21 Jahre, mit drei bis vier Mitarbeitern. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich im Sport unterwegs war, stellte ich einen Meister ein, der das Unternehmen mit meiner Ex-Frau führte. Ich habe vier Söhne und eine Tochter, die aber alle einen anderen Weg einschlagen wollten. Letztendlich habe ich den Betrieb verkauft.
Werbemonitor: Dann ist dir die Thematik Unternehmertum und Stress vertraut ...
Bergmüller: Ja, ich war bei allem, was ich gemacht habe, sehr ehrgeizig und habe mich nach vorne orientiert. Vor allem habe ich beobachtet, was andere im Ausland machen, und das im Sport umgesetzt. Zeitgleich war ich auch im Betrieb sehr engagiert und habe versucht, vieles perfekt umzusetzen, z. B. die Luftreinhalteverordnung, die damals in den 80er-Jahren eingeführt wurde. Dabei habe ich schnell gemerkt, dass ich mir gar nicht so viele Freunde mache. Das war im Sport sehr ähnlich. 1985 habe ich den Salzburger Landeskader übernommen und betreut – zur gleichen Zeit, als ich auch das Unternehmen übernommen habe. Mir war damals schon bewusst: Wenn ich jetzt im Sport beginne, komme ich davon nie wieder los. Und so war es auch.
Werbemonitor: Was war dir wichtig?
Bergmüller: Es gibt Menschen, die sagen, ich sei ein positiver Querdenker. Ich habe mich immer an den Besten orientiert und dort, wo man sich Neues herausholen kann. Ich bin z. B. 1988 mit der österreichischen Skinationalmannschaft in ein deutsches Rehabilitationszentrum gefahren und habe dort mit dem Team einen Kurs mit sehr vielen Tests und Untersuchungen absolviert. Ich wusste, die Leute dort sind federführend. Ich habe dafür sehr viel Schelte bekommen, aber uns hat es ein großes Stück weitergebracht.
Werbemonitor: Es klingt so, als wärst du schon sehr visionär unterwegs gewesen.
Bergmüller: Ich habe in meiner Zeit beim ÖSV sehr viele einflussreiche Leute kennengelernt. Damals hatte ich die Vision ein Betreuungszentrum, den Olympiastützpunkt Obertauern aufzubauen, welchen ich dann mit einem riesigen Idealismus auch aufgebaut habe. Ich habe sehr viel Energie und Geld in dieses Projekt gesteckt. Zu Recht, wir waren sehr erfolgreich und konnten innerhalb einiger Jahre ein paar Olympiasieger vorweisen. Auch die Geschichte mit Hermann Maier begann dort.
Werbemonitor: Ich kehre jetzt wieder zu unserem Thema professionelles Gesundheitsmanagement zurück, obwohl deine Geschichten aus dem Sport sehr spannend sind. Bevor wir zur Bewegung kommen, starten wir mit der Ernährung. Was kannst du uns da mitgeben?
Bergmüller: Ja, das ist ein sehr großes Thema. Eine der größten Unarten unserer Gesellschaft ist – und ich spreche aus eigener Erfahrung –, dass man sich zu wenig Zeit zum Essen lässt. Oder, das kennen sicher sehr viele, nebenbei oder vor dem Bildschirm isst. Da bekommt man gar nicht mit, was man isst. Wesentliche Punkte sind die Ruhe, die Regelmäßigkeit und das langsame und gute Kauen, rund 30- bis 40-mal. Es gibt wunderbare Studien dazu. Wenn man z. B. etwas kohlenhydrathaltiges sehr schnell isst, steigt der Insulinspiegel an. Beim langsamen Essen verläuft die Kurve viel flacher. Natürlich reagieren Menschen sehr unterschiedlich auf Nahrungsmittel. Eine wesentliche Wurzel liegt sicher im Darm. Es muss jeder für sich herausfinden, was passt – oder die entsprechende Hilfe suchen, um den optimalen Weg zu finden. Am eigenen Körper spürt man, was einem guttut und was nicht.
Werbemonitor: Wie ist dein Zugang zur Bewegung? Welche Art der Bewegung empfiehlst du?
Bergmüller: Wenn man kein Sportler ist, dann genügt schon täglich eine Stunde Spazierengehen. Das nicht auf Power ausgerichtet ist, sondern moderat, in einem normalen Tempo. Es sollte aber nicht Nordic Walking sein, das zwar sehr attraktiv aussieht, sich jedoch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bei fehlender Ausdauerbasis sehr negativ auswirken kann. Es reicht normales Spazierengehen. Interessanter-weise erlebe ich, dass ältere Menschen, die täglich spazieren gehen, in einer besseren körperlichen Verfassung sind als junge Menschen, die keine Bewegung machen.
Wenn man kein Sportler ist, dann genügt schon täglich eine Stunde Spazierengehen. Ganz moderat, in einem normalen Tempo. Es geht nicht darum, sich auszupowern.
Werbemonitor: Die dritte Säule ist die Entspannung. Wie kann man sich richtig entspannen?
Bergmüller: Sich über den Sport zu entspannen, ist nicht immer ideal. Denn viele haben im Beruf Stress und flüchten sich beim Sport wieder in diese Situation. Beim intensiven Krafttraining oder Laufen kommt es ebenfalls zu einer enormen Stresshormon-Ausschüttung. Die Menschen merken es, indem sie Schlafstörungen haben, weil sie gar nicht mehr herunterkommen. Interessant ist: Wenn man diese Menschen aus dieser Sackgasse herausholen möchte und sie moderat trainieren lässt, haben sie ein großes Problem damit und werden völlig unruhig. Aber man kann den Körper durch richtig dosiertes, an den Muuskelstoffwechsel angepasstes, Ausdauertraining auch wieder umpolen. Messbare Erfolge, was das vegetative Nervensystem, Herz-Kreislauf und hier vor allem den Blutdruck betrifft, stellen sich in den meisten Fällen schon nach einigen Wochen ein. Abschalten geht mit einem guten Buch, einem Film oder mit einem Glas Wein, wenn man es nicht übertreibt.
Werbemonitor: Wenn es im Unternehmen Mitarbeiter gibt, welchen Rat hast du da für uns?
Bergmüller: Man kann den Mitarbeitern Möglichkeiten aufzeigen, wie sie vernünftig Sport treiben können. Mit dem Ziel, eine stabile Leistungsfähigkeit zu halten, sich besser zu regenerieren und damit einen gesünderen Lebensrhythmus zu erreichen. Viele Beschwerden wie Rückenschmerzen treten auf, weil die Grundauslagendauer schlecht ist. Einige herausragende Physiotherapeuten sagen: Wenn sich Menschen regelmäßig richtig bewegen würden, dann bräuchte man keine Physiotherapie, außer natürlich bei Traumen.
Werbemonitor: Kannst du uns bitte den Begriff Grundauslagendauer näher erklären?
Bergmüller: Dabei geht es um die aerobe Leistungsfähigkeit, um ein stabiles aerobes Fettstoffwechselniveau, das gut messbar ist. Die Leistungsfähigkeit kann ich in vielen Facetten messen, ich kann die Kraft messen oder die Schnelligkeit, aber die wesentliche Säule ist die Ausdauer. Die Ausdauer für die Regenerationsfähigkeit, für die Stabilität des Immunsystems, für die Aktivität des vegetativen Nervensystems und für die Aktivität des Fettstoffwechsels usw. Das lässt sich mit einfachen Tests messen. Dabei kann man Puls, Blutdruck und vor allem den Muskelstoffwechselparameter Laktat messen und so entsprechende Vorgaben für jene Bewegung ableiten, mit der sich jemand verbessert. Viele starten am Ergometer mit 20, 30 oder 40 Watt, drei- bis viermal die Woche, bequem vor dem Fernseher oder einem Buch. Schon nach wenigen Wochen ist bemerkbar, dass die Regeneration wesentlich schneller und besser eintritt, sich der Schlaf verbessert und die Leute in vielen Fällen Gewicht abnehmen.
Werbemonitor: Das hat viel mit Physiologie und Biochemie zu tun, bitte führe das aus.
Bergmüller: Wir haben im Körper, in den Zellen Mitochondrien, unsere Energiekraftwerke. Diese arbeiten bei Menschen mit einem mäßigen Niveau teilweise sehr träge. Das heißt, sie können gar nicht mehr ausreichend Energie produzieren. Ein Mensch mit 80 kg Körpergewicht muss am Tag 80 Mol ATP (Adenosintriphosphat, der universelle und unmittelbar verfügbare Energieträger in Zellen) bilden können, um zu leben. Wenn jemand schwer arbeitet, muss er noch wesentlich mehr bilden. Es ist nachgewiesen, dass aus einem Mol Glucose im Fettstoffwechsel (Zitronensäurezyklus), 38 Mol ATP gebildet werden. Wenn der Fettstoffwechsel aber nicht mehr intakt ist, z. B. aufgrund von Übergewicht oder schlechter Leistungsfähigkeit, dann kann man nur zwei Mol ATP bilden. Das ist Energiemangel. Die Zivilisationserkrankungen oder Burn-out haben damit zu tun, der Energiemangel schlägt sich auf die Psyche. Aber die Wurzel ist die aerobe Leistungsfähigkeit.
Im zweiten Teil des Gesprächs gehen wir auf Burn-out ein und darauf, wie man die Leistungsfähigkeit misst und trainiert. Das Zauberwort Laktat kommt ins Spiel, Heini Bergmüller räumt mit bekannten Mythen auf und führt aus, welchen Nutzen Kreativbetriebe aus dem Spitzensport ziehen können.
www.bergmueller.at
Krise als Chance - Expertin Carmen Hintermüller begleitet Menschen in schwierigen Lebenssituationen. Welchen Stellenwert nehmen Krisen ein?
Fotos: Leadersnet/M.Millmann